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Letzte Änderung: 16.10.2008
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c) Andreas Niggemann, Fotos und WebDesign

                       Vorwort zu Esther

Wenn man sich mit dem zeitgenössischen jüdischen Theater beschäftigt, fällt sofort der Mangel an Stücken auf, die für Kinder und Jugendliche geeignet sind. Sogar für das Erwachsenentheater sind kaum Werke erhältlich, so als wären in der Shoah nicht nur die Menschen, sondern auch ihre Literatur vernichtet worden. Einzig „Tewje, der Milchmann“ von Schalom Alejchem scheint überlebt zu haben.  Die vor dem Holocaust viel gespielten Stücke von Abraham Goldfaden sind im deutschsprachigen Raum nicht mehr verfügbar.

Im Jahre 1999 wandte sich die Jüdische Gemeinde Speyer e.V. an mich, um für das Lichterfest Chanukkha ein kurzes Stück für  eine Aufführung auf dem Weihnachtsmarkt in Speyer zu schreiben und zu inszenieren. Die Besonderheit bestand nun darin, dass Chanukkha in jenem Jahr genau auf den Nikolaustag fiel und auf der Bühne des Weihnachtsmarktes nicht nur der Oberbürgermeister, sondern auch ein Rabbiner zu diesem Anlass sprechen sollte. Aufgabe war es also ein Stück zu schreiben, das den vorwiegend nichtjüdischen Besuchern des Weihnachtsmarktes die Hintergründe des Lichterfestes in einer kompakten, wenige Minuten dauernden Aufführung, nahe bringt. Hierzu habe ich einen Trick angewandt, in dem ein Dialog zwischen einem nichtjüdischen Jungen und einem jüdischen Mädchen als Rahmenhandlung das historische Geschehen für Nichtjuden verständlicher macht.  Die Kinder waren mit Feuereifer bei der Sache und baten mich nach der sehr erfolgreichen Aufführung um ein neues,  längeres Stück. 

Die Recherchen im Internet förderten eine einzigartige Geschichte um Liebe und Verrat, Mord und Totschlag zutage: Das Buch Esther. Inzwischen mehrfach verfilmt, ist diese Geschichte an das Fest Purim gebunden, bei dem sich Groß und Klein verkleiden dürfen. Also war eine etwas opulentere   Ausstattung und ein spannenderes Skript nötig. Zudem mussten die religiösen Aspekte der Geschichte beachtet werden. Daher ließ ich das fertige Stück von einem Rabbiner-Assessor prüfen, der zwei kleinere Korrekturen empfahl. „Esther“ wurde dreimal (u.a. in Schulen) aufgeführt und auch als „Bilderroman“ im Schlosspark Schwetzingen fotografisch umgesetzt.

Die Kinder wurden älter, das Ensemble größer.  Also sollte das nächste Stück anspruchsvoller, farbiger werden.  Die Wahl fiel auf die allseits bekannte Liebesgeschichte vom König Salomon und der Königin von Saba.  Religiöse Aspekte traten nun eher in den Hintergrund, wichtiger waren Fragen von Schuld und Macht, Politik und Liebe.

Im Jahre 2004 wurde im Historischen Museum eine weithin beachtete Ausstellung zum Thema „Europas Juden im Mittelalter“ eröffnet. Anlass dieser Ausstellung war der 900. Jahrestag der Weihe der mittelalterlichen Synagoge von Speyer. Als Beitrag der Jüdischen Gemeinde war also ein neues Theaterstück für das Kinder- und Jugendtheater der Gemeinde gefragt. 

Bei der Informationsbeschaffung stieß ich auf zwei mittelalterliche Synagogen in Speyer von der die zweite - nach dem die erste durch ein Feuer vernichtet wurde - von Arbeitern der Dombauhütte errichtet wurde. Hier ließ sich also ein einträgliches und friedliches Miteinander von Juden und Nichtjuden beispielhaft vorführen. Aus dieser Grundidee entstand das Stück „Der Weg der Steine“.   Bindeglied in der Umsetzung ist der Schreiber Simeon, der die verschiedenen Gruppen als Bauherr zusammenführt und auch in einigen Konflikten und Unglücken zusammenhält bis das Werk vollendet ist.

Dieses Stück erlebte zwei sehr gut besuchte Aufführungen im Hof des Museums und im Judenhof vor der Mikwe (jüdisches Ritualbad).

All dies wäre ohne die Menschen, die mich unterstützt haben nicht möglich gewesen. Besonders danken möchte ich Frau Juliana Korovai von der Jüdischen Gemeinde Speyer, Frau Heike Häußler vom Verkehrsverein Speyer, dem Historischen Museum der Pfalz, den Eltern der Kinder und meiner Assistentin Oksana Korovai.  Meinen Schauspiellehrern Dawn Dister und Markus Maier bin ich ebenfalls zu Dank verpflichtet.

Besonderen Dank gebührt jedoch den Kindern und Jugendlichen, die den Mut aufbrachten meine Stücke vor 50 und mehr Zuschauern aufzuführen: Alexandra, Elena, Irina, Julia, Junna, Katja, Ljuba, Marina, Olga, Sveta und Alexander.

 

Speyer, den 30.8.2008  A.Niggemann